Die große Indien Rundreise vom 06.10.2005 bis 29.10.2005
Während der letzten Jahre habe ich sehr viele Projekte gemeinsam mit unseren indischen IT-Spezialisten abgeschlossen. Trotz der sehr unterschiedlichen kulturellen und spirituellen Unterschiede und Herangehensweisen an berufliche Herausforderungen zur Erreichung gemeinsamer Projektziele konnte ich Vertrauen und Annährung mit besonders eng mit mir zusammenarbeitenden indischen Kollegen allmählich aufbauen. Besonders intensiv war meine Zusammenarbeit mit Suman, Samir Mehta und Kathik. Im Laufe der Zeit reifte dann meine Neugier auf die Denkweise, Kultur und Religion meiner indischen Kollegen.
Bei einer großen Rundreise durch den indischen Subkontinent wollte ich so viel wie möglich darüber lernen und verstehen. Deshalb buchte ich eine Studienreise bei Studiosus.
Innerhalb von 23 Tagen kann man nur oberflächlich und kurz die wichtigsten kulturellen Orte besuchen und nicht sehr tief in die indische Seele einsteigen. Ich hatte schon einige Studienreisen in Entwicklungs- und Schwellenländer bis dahin abgeschlossen, aber die tatsächlich erlebten extremen Kontraste zwischen Reichtum und Armut in Indien überstiegen mein Vorstellungsvermögen. Ich wurde gewarnt, dass es aber noch krasser sein würde als befürchtet, hatte ich mir nicht vorstellen können.
Reiseverlauf:
Die Reise startete am Flughafen in Frankfurt. Unser Studiosus Reiseleiter begleitetet uns bereits auf unserem Non-Stopp Flug nach Neu-Delhi. Wir landeten in Neu-Delhi sehr spät nach Mitternacht und wurden dann zu unserem Luxus-Hotel, Mitten in Delhi gelegen, gebracht.
Wir durften ausschlafen und ein spätes Frühstück einnehmen, bevor es dann langsam mit der Stadtbesichtigung in Delhi los ging. Wir fuhren durch Neu-Delhi mit vielen grünen Parks und britischen Kolonialbauten, wenig Leute auf den Straßen und fließender Verkehr; danach durch Alt-Delhi, orientalisch, laut, verstopft, Verkehrschaos, das unaufhörliche Gehupe und Geklingel der vielen Rikschas und Fahrräder, die allgegenwärtigen fliegenden Händler, die alles anbieten , was man sich vorstellen oder auch nicht vorstellen kann, Chaiwallahs, die am Straßenrand Tee kochen, etc. und überall dazwischen, die abgemagerten, heiligen Kühe und der Gestank nach Kot und Urin.
Nachdem unsere Busfahrer, es sind immer zwei, einer der fährt und ein Beifahrer, der im Stau Streitigkeiten und das Chaos versucht zu regeln, uns wieder aus dem Gewirr herausgebracht hatten, durften wir in der Freitagsmoschee Ruhe tanken, bevor es wieder zurück ins Hotel ging.
Am nächsten Morgen wurden wir dann zum Flughafen gebracht für einen kurzen Flug nach Varanasi an den heiligen Fluss Ganges.
Varanasi ist eine der ältesten Städte der Welt, geheimnisumwoben und mystisch. Die Engländer nannten die Stadt Benares, gläubige Hindus nennen sie Kashi. Die Stadt des Gottes Shiva ist erfüllt von einer ganz speziellen spirituellen Aura. Bei einem ausgiebigen Spaziergang durch die Altstadt und an der Dasaswamedh Ghat entlang, einer der vielen Treppen am Ganges, waren wir, im wahrsten Sinne des Wortes, hautnahe in das Leben Indiens eingetaucht. Die Inder kennen keine Berührungsängste, Distanz und auch keinen Abstand. Man wird begrabscht, angesprochen, umworben, die fliegenden Händler schwirren wie Schmeißfliegen um einen. Am besten hilft ignorieren. Leichter gesagt, als getan! Am Abend nach dem Sonnenuntergang kann man die alltäglich wiederkehrende Lichterzeremonie am Fluss beobachten. Tausende Besucher des Ganges lassen ihre Öllämpchen auf dem Wasser schwimmen, während Brahmanen (hinduistische Priester) uralte Gebete rezitieren. Nachdem wir das Treiben am Ganges eine gute Weile beobachtet hatten, wurde es Zeit für unser Hotel und unser Abendessen in Varanasi. Danach zogen wir uns schnell in unsere Zimmer zurück, denn das Programm des nächsten Tages war ebenfalls anstrengend und umfangreich. Sehr früh morgens ging es auf eine Bootsfahrt auf den Ganges, um vom Boot den Sonnenaufgang zu erleben. Das vielseitige und bunte Treiben am Flussufer ist der Wahnsinn. Wir beobachteten vom Boot aus Pilger, die im Ganges ritual badeten, Schälchen aus Blättern mit kleinen Öllichtern schwimmend auf dem Fluss, meditierende Yogis, Kühe, die an den Ghats entlangwanderten und rauchende Scheiterhaufen. Von einer Verbrennung in der heiligen Stadt Varanasi träumt der gläubige Hindu. Das waren sicherlich unvergessliche Eindrücke auf den Boot.
Nach der Bootsfahrt fuhren wir in den Nachbarort Sarnath. Hier hielt Buddha seine erste Predigt. Von hier aus eroberte die buddhistische Lehre die Welt. Der archäologische Park beherbergt Stupas, die Überreste von Klöstern, und wird bis heute von buddhistischen Pilgern besucht. Im Museum bewunderten wir das berühmte Löwenkapitell des Kaisers Ashoka. Das Leben Buddhas in Stein gemeißelt, uralte Reliefs und Religionsmischmasch. Gott sei Dank hatten wir unseren Reiseleiter, der etwas Ordnung in das chaotisch gestaltete Museum bringen konnte.
Am nächsten Morgen flogen wir nach Khajuraho, fuhren erst einmal zu unserem neuen Hotel und machten uns frisch. Nach der Mittagspause fuhren wie dann zu den UNESCO Weltkulturerbe-Tempel, für den wir eigenes diesen Abstecher nach Khajuraho gemacht hatten. Auf dem Tempelgelände stehen heute noch 20 Kamasutra-Tempel, die an der Außenfassade mit unzähligen Skulpturen mit zum Teil recht krassen pornografischen Darstellungen besetzt sind. Diese Tempel sind rund 1.000 Jahre alt. Nach dem Untergang der örtlichen Herrscher-Dynastie im 12-Jahrhundert geriet der sehr abseits gelegene Ort rasch in Vergessenheit, somit nimmt man an, wurden Teile der Tempelanlage über die vielen Jahrhunderte nicht zerstört. Zu Beginn des 20. Jahrhundert begannen Archäologen die Anlage wieder zu restaurieren.
Nach einer Übernachtung in Khajuraho ging unsere Reise weiter in eine der berühmtesten Städte Indiens, nach Agra. Hier gibt es gleich zwei UNESCO Welterbestätte, das Taj Mahal und des Rote Fort. Das Taj Mahal ist das globale Denkmal einer unsterblichen Liebe, ein Traum aus weißem Marmor mit unzähligen filigranen Intarsien. 20.000 Handwerker arbeiteten zwölf Jahre lang daran dieses Grab fertig zu stellen. Das Licht und die Atmosphäre ändern sich ständig, so dass man immer wieder neue Fotomotive des gleichen Bauwerks erhält. Nach dem ausgiebigen Besuch des Taj Mahals besuchten wir eine Marmorwerkstatt, um einen Eindruck davon zu erhalten, wie Agras Kunsthandwerker diese kunstvollen Arbeiten ausführen. Nach dem Mittagessen fuhren wir dann zum Roten Fort. Beim Überqueren einer Kreuzung kamen unser Reiseleiter und die Busfahrer arg ins Schwitzen. Wir brauchten rund zwei Stunden, um mit unserem Bus über die Kreuzung zu kommen. Wenn man solche chaotischen, anarchischen Zustände auf Straßen noch nicht kennt, kommt man gar nicht mehr aus dem Staunen. Man kann die Szene nicht wirklich erklären, man muss sie erlebt haben. Ich habe jede Menge Bilder davon gemacht. Bilder sagen sicherlich mehr als Worte. Irgendwann kamen wir dann doch noch am Roten Fort an. Das Rote Fort war die Machtzentrale der islamischen Mogulherrscher.
Bis jetzt sind wir von Stadt zu Stadt immer mit dem Flugzeug geflogen. In Indien mit einem Fahrzeug über Land zu fahren, ist bei den Straßenverhältnissen nicht ratsam. Um uns das Abenteuer einer über Land Fahrt mit dem Bus zu bieten, hat Studiosus die Etappen von Agra durch Rajasthan als Busfahrt eingeplant. Der größte Teil dieser Strecke ist asphaltiert. Offiziell gibt es tatsächlich auch in Indien Verkehrsregeln. Die meisten Inder kennen sie vermutlich gar nicht und wer sie kennt, ignoriert sie natürlich. Die offiziellen Verkehrsregeln hat die britische Besatzungsmacht eingeführt. Eigentlich gilt Linksverkehr. Also erkennen konnte ich da gar nicht. Ich persönliche würde die in der Realität tatsächlich angewandten Verkehrsregeln mal so zusammenfassen: Es gilt grundsätzlich das Recht des Stärkeren. Fußgänger weichen Radfahrern aus. Radfahrer wiederrum, weichen Rikschas aus. Ein kleineres und leichteres Fahrzeug weicht größeren und schwereren Fahrzeugen aus. Das größte uns schwerste Fahrzeug hält niemals für ein anderes Fahrzeug oder einen Fußgänger an. Es wird gefahren, wo man eine Lücke und gerade Platz finde; links oder rechts spielt keine Rolle. Fahren zwei gleich starke Fahrzeuge aufeinander zu, muss der ausweichen, der die leisere Hupe besitzt. Die lauteste Hupe gewinnt immer. Jedes Fahrzeug, welches irgendwie noch fährt, ist verkehrssicher, so lange die Hupe noch funktioniert. Ohne Hupe kann man nicht fahren! Kein gläubiger Hindu legt auch nur einen Meter mit seinem Fahrzeug zurück ohne den Blumensegen für eine glückliche Reise des Elefantengott Ganesha empfangen zu haben.
Glück braucht man und am besten sitzt man ziemlich hinten im Bus und schaut auch nicht so richtig nach vorne auf die Straße. Das beruhigt die eigenen Nerven. Irgendwann bei Einkehr der Dämmerung ging auch diese 240km lange Fahrt nach Jaipur vorüber. Im Bus hatte sich jedenfalls niemand verletzt. Ob außen alles heil blieb, weiß ich nicht. Hoffen wir es mal. Wir belegten dann erst einmal unsere Zimmer in unserem Hotel in Jaipur und gingen gemeinsam zum Abendessen. Nach dem Frühstück am nächsten Morgen brachen wir auf, um unsere nächstes UNESCO-Welterbe zu bestaunen. Es ging zum berühmten Palast der Winde, die Festung Amber. Nach ausgiebiger Führung durch den Palast besuchten wir eine Teppichknüpferei. Die Frauen zeigten, wie Knoten für Knoten große Meisterwerke entstehen.
Am Nachmittag besuchten wir den Stadtpalast und das Observatorium des Maharadscha von Jaipur. Bevor es zum Abendessen ins Hotel zurück ging, besuchten wir noch eine Edelstein-Manufaktur.
Auf halben Weg von Jaipur nach Udaipur liegt Deogarh. Der Bus brauchte für die ca. 250km lange Strecke gut sechs Stunden. Der Maharadscha-Palast von Deogarh wurde in ein eindrucksvolles Palasthotel umgewandelt. Hier verbrachten wir eine Nacht. Man durfte sich dann selbst wie ein Maharadscha fühlen, bevor es dann am nächsten Morgen weiter nach Udaipur ging.
Unterwegs machten wir Halt in Ranakpur, um den mächtigen Jain-Tempel zu besuchen. Der riesige Gebäudekomplex besteht aus 29 Hallen und Kuppeln, welche durch 1444 Säulen getragen werden.
Die Jain-Religion ist ca. 3.500 Jahre alt und hat heute ca. 4,4 Millionen Anhänger, nahezu alle sind indische Staatsbürger. Die Jainas leben asketisch und töten keine Lebewesen. Wegen des Ideals der Nichtverletzung von Lebewesen ernähren sich Jainas so, dass keine Tiere dafür leiden oder sterben müssen und Pflanzen nur im unvermeidlichen Maß geschädigt werden. Sie ernähren sich üblicherweise lakto-vegetarisch, manche auch vegan. Wegen des Gewaltlosigkeitsgebots können Jainas einige Berufe (Soldat, Polizist, Metzger, Landwirt, etc.) nicht ausüben.
Nach dem Besuch des Jain-Tempels ging es weiter per Bus durch Rajasthan in die Palaststadt Udaipur. In Udaipur besuchten wir natürlich den Stadtpalast und spazierten durch das Gassengewirr der Altstadt. Hier besuchten wir noch ein Atelier eines Miniaturmalers. Man kann es kaum erfassen, wie filigran wirklich meisterhafte Miniaturen gemalt werden können. Man braucht dazu schon eine Lupe, besser noch ein Mikroskop, um zu erkennen, in welcher Detailtiefe manche dieser Meisterwerke gemalt wurden. Am Nachmittag relaxten wir bei einer Bootsfahrt über den Picholasee.
Hiermit endeten unsere Überlandbusfahrten und wir verließen Rajasthan per Flugzeug, um Station in Mumbai zu machen. Welcome to Bollywood. Nach der Landung wurden wir von unserem nächsten Busfahrerteam empfangen. Die beiden brachten uns zuerst zum Hafen zu einem Bootsausflug auf die autofreie Insel Elephanta. Wir fuhren hierher, um das nächste UNESCO Weltkulturerbe zu bestaunen. Es handelt sich hierbei um die im 2. Jahrhundert aus den Felsen herausgehauenen Shiva-Skulpturen in den Elephanta-Höhlen. Diese Skulpturen gehören zu den bedeutendsten Werken hinduistischer Bildhauerei. Nachdem unser Ausflugsboot uns wieder zurück zum Hafen gebracht hatte, machten wir noch eine Stadtrundfahrt durch Mumbai. Mumbai ist Indiens Wirtschaftsmetropole. Hier leben schätzungsweise 10 Millionen Menschen oder auch mehr. Niemand hat die vielen Menschen in den Slums gezählt. Zu den Fotomotiven gehört das Gate of India und der Blick von hoch oben auf das Viertel der Wäschereien., das berühmte Dhobi Ghat. Nach Eintritt der Dunkelheit wurden wir dann in unser nächstes Luxus 5 Sterne Konferenz-Hotel direkt am Flughafen gefahren, damit wir am nächsten Morgen keine lange Anreise für unseren allzu frühen Abflug nach Kochi haben würden.
Kochi im Bundestaat Kerala sieht gleich ganz anders aus als alles was man in Nordindien zu Gesicht bekommen hatte. Die fehlenden Bettler und Obdachlosen, die zu Hunderttausenden das Bild und den prägenden Eindruck im Norden bestimmt hatten, fehlen hier auf einmal. Es ist alles grün und die Privathäuser sind bunt. Unser Hotel ist ein Strandhotel direkt am indischen Ozean. Am ersten Abend im Süden Indiens genossen wir den Sonnenuntergang über dem Meer bei einem herrlichen Barbecue mit fangfrischen Fischen und Meeresfrüchten. Am nächsten Morgen wurden wir am Hotel von einem Boot für eine Fahrt in die Altstadt von Kochi abgeholt. Kochi wurde 1502 als erste Handelsniederlassung für den Gewürzhandel von den Portugiesen gegründet. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte kamen Händler und Glücksritter aus allen Herren Ländern nach Kochi, um hier glücklich und reich zu werden. Multikulti im 16. Jahrhundert. Kolonialkirchen, Synagogen, Gewürzspeicher, chinesische Fischer usw. Hier riecht es auch noch im 21. Jahrhundert herrlich intensiv nach allen nur erdenklichen Gewürzen.
Auf unserer Weiterreise von Kochi nach Madurai machten wir unterwegs halt für eine Bootstour auf den Backwaters. Die Backwaters sind ein riesiges, verzweigtes 1.900km² großes Wasserstraßennetz im Hinterland der Küste am arabischen Meer im Südwesten Indiens. Das ursprüngliche Ökosystem hat sich auf Grund der extrem hohen Bevölkerungsdichte während der letzten fünf Jahrzehnte sehr stark geändert. Aus den ursprünglichen Feuchtwälder und Mangroven entstanden vor allem Kokos- und Kautschukplantagen. Es wird auch Reis angebaut, der nur in Süßwasser gedeiht. Daher wurden Absperrungen gebaut, die verhindern das sich das Salzwasser mit dem Süßwasser mischt. Mit dem Umweltschutz ist es leider nicht weit her. Die Wasserstraßen werden zunehmend durch Agrochemikalien, industrielle Gewässer, Müll und Fäkalien verschmutzt. Krokodile und Fische sind bereits ausgerottet.
Ab jetzt bis zum Ende der Reise in Chennai besuchten wir eigentlich nur noch Hindu-Tempel, einer berühmter und wichtiger als der andere. Nahezu alle von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt.
Für mich persönlich war das alles zu viel. Selbst ein Gruppendialog mit einem Brahmanen und alle Erklärungen unseres sehr kompetenten Reiseleiters konnten mir die hinduistische Religion nicht mal im Grundansatz nachvollziehbar machen. Der Hinduismus hat rund eine Milliarde Anhänger und ist nach dem Christentum und dem Islam die drittgrößte Religionsgruppe auf unserem Planeten. Im Gegensatz zu den anderen Religionen gibt es keinen Religionsstifter. Die Geschichte des Hinduismus ist uralt und reicht ca. 4.000 Jahre zurück. Auf dem indischen Subkontinent setzte sich der Hinduismus im 1. Jahrtausend n.C. gegenüber dem Buddhismus durch und wurde im 12. Jahrhundert vorherrschende Religion in Indien. Der Hinduismus ist keine einheitliche Religion, vielmehr ein Komplex sehr unterschiedlicher religiöser Traditionen und gesellschaftlicher Phänomene. Die Hindu-Religionen verfügen weder ein gemeinsames Glaubensbekenntnis noch über eine zentrale Institution. Eigentlich gibt es nichts, was einen Hindu klar definiert. Man kann vielleicht definieren, wer Gebete spricht, die Gita liest, eine persönliche Wunschgottheit verehrt und die heilige Silbe Om verwendet, kann sich Hindu nennen. Als Hindu wird man geboren. Es gibt keine Missionierung.
Die Gita ist eine der zentralen Schriften des Hinduismus. Sie hat die Form eines spirituellen Gedichts und besteht aus 700 Strophen, welche im Wesentlichen gesungen werden. Zwei Verszeilen beziehen sich aufeinander. Jeder Verszeile besteht aus zwei achtsilbigen Reihen. Der Urtext lässt sich kaum übersetzten, ohne dem Original treu zu bleiben und dennoch Metrum und Reim zu erhalten.
Ein Beispielübersetzung Kapitel IV, 7-8; Krishna spricht: „Oh Sohn des Bharatam so oft ein Niedergang der Rechtschaffenheit und ein Überhandnehmen von Ungerechtigkeit und Laster in der Welt eintritt, erschaffe ich mich selbst unter den Kreaturen. So verkörpere ich mich von Periode zu Periode für die Bewahrung der Gerechten, die Zerstörung des Boshaften und die Aufrichtung der Rechtschaffenheit.“
Die indische Mythologie hat mehrfach Wandlungen durchgemacht: Die alten vedischen Götter wurden im Laufe der Zeit durch Shiva, Vishnu und Krishna verdrängt. Die Götter manifestieren sich in der irdischen Welt in Form von Inkarnationen, um die Rechtschaffenheit (Dharma) zu schützen. Die höchsten indischen Götter bilden eine Dreieinigkeit, die das Werden und Vergehen darstellt: Brahma als Schöpfer, Vishnu als Erhalter und Shiva als Zerstörer. Jeder dieser Götter hat bis zu 10 Inkarnationen, Frauen und Kinder, Reittiere und ganz bestimmte Gesten, welche alle ihre spezifischen Bedeutungen haben. Ich persönlich kann damit nicht anfangen. Mir fehlt in dieser Religion der tiefere Sinn, so etwas wie die 10 Gebote im Christentum. Das tatsächlich praktizierte, religiös begründete Kastenwesen zur hierarchischen Einordung und Abgrenzung gesellschaftlicher Gruppe ist mein Hauptgrund zur Kritik des Hinduismus. Basierend auf meinem christlichen Glauben, sind alle Menschen gleich und es bedarf keine Einordnung und Abgrenzung nach Geburt, Rasse, Hautfarbe, Religion, politischer Gesinnung, sexueller Orientierung und wirtschaftlichen Wohlstands. Vielmehr habe ich den Eindruck gewonnen, dass wohlhabende Inder sich kaum oder gar nicht um das Leid ihre ärmsten Mitbürger, welche so gut wie keine Teilhabe am Wohlstand des 21. Jahrhunderts haben, kümmern. Im besten Falle ignorieren sie das Leid der Ärmsten der Armen, falls sie diese armen Menschen nicht sogar verachten. Das Christentum ist da anders aufgestellt. Auch wenn wir sicher nicht genug teilen und tun, so schämen wir uns im Grunde dafür und verehren und schauen auf Christen, wie Mutter Theresa, die ihr Leben den Ärmsten der Armen gewidmet hatte. Ich bin froh in Deutschland und nicht in Indien zu leben.
Srirangam ist Indiens größte Tempelstadt. Hier gibt es 21 riesige Tempel. Für mich, zu viel, um noch etwas differenziert wahrzunehmen. In Madurai beobachteten wir die geräuschvollen, fromme Prozessionen im Minakshi-Tempel. Leider musste man die Schuhe ausziehen, um den Tempel betreten zu dürfen. Da hier Unmengen an Kot, Urin, verdorbenen und verfaulten Speiseresten überall am Boden verbreitet waren, war das eher eine sehr eklige Angelegenheit, auch wenn ich eigentlich schon etwas abgehärtet war.
Am nächsten Tag ging es dann an die indische Südostküste in unser Strandhotel in Mahabalipuram vor den Toren von Chennai (ehemals Madras). Auf dem Weg nach Mahabalipuram besuchten wir noch den Brihadishvara Tempel in Tanjore, ein weiteres UNESCO-Welterbe. Der Tempel feierte in Jahr 2010 seinen 1.000 Geburtstag.
Unser Strandhotel in Mahabalipuram war ein gerade erst neu gebautes Hotel. Noch nicht alle Baumaßnahmen waren abgeschlossen. Wir erfuhren, dass die Tsunami-Katastrophe vom 26.12.2004 die alte Hotelanlage komplett zerstört hatte. Das gesamte Gebiet an der Ostküste Indiens wurde durch den Tsunami verwüstet. Indien beklagte ca. 16.000 Tote und 650.000 Obdachlose.
Am letzten Reisetag besuchten wir Chennai, Wir machten eine Stadtrundfahrt, sahen die prachtvollen Kolonialbauten und die himmelblaue St. Thomas Kathedrale. Im Government Museum stellte uns unser Reiseleiter die Bronzen aus der Chola-Zeit vor.
Studiosus hat wie üblich es geschafft eine große abgewogene Reise, mit den Widersprüchen Indiens, Kultur, Sehenswürdigkeiten, Land und Leute, Religion, Wirtschaft und Politik zusammenzustellen.
Meine Eindrücke waren vielseitig, von verstörend bis beeindruckend. Ich weiß nicht, ob ich einen umfassenden Überblick erhalten habe. Aber sicherlich einen umfassenderen Eindruck als nur am Strand von Goa die Seele baumeln zu lassen.
Am schlimmsten fand ich die sanitären Bedingungen, die riesigen Müllberge und die allgegenwertige Armut und die Befürchtung, dass sich so bald nichts ändern wird.