Baltikum 2025

Studienreise durchs Baltikum vom 25. Juli bis 03. August 2025

Die Anfrage meines älteren Bruders gemeinsam eine geführte Studienreise durchs Baltikum zu unternehmen nahm ich gerne auf und buchte für uns beide eine Reise mit Studiosus in einer Kleingruppe mit 14 Reiseteilnehmer. Wie ich es bei Studiosus-Reisen gewohnt bin, respektierten und achteten aller Reiseteilnehmer sich untereinander. Rasch bildeten sich kleine, informelle Interessengruppen, die gerne in der freien, programmlosen Zeit gemeinsam etwas unternahmen, Reiseerfahrungen austauschten oder ein Restaurant besuchten. Unserer Reiseleiterin Julia ist Journalistin beim Bayrischen Rundfunk. Sie wuchs in St. Petersburg (damals noch Leningrad) zu Sowjetzeiten auf. Ihre Familie hat baltische Wurzeln. Sie migrierte mit ihren Eltern in den 1980-er Jahren in die damalige Bundesrepublik. Julia leitete uns logistisch und didaktisch kompetent durch die Reise. Speziell geäußerte Wünsche und Bedürfnisse versuchte sie, soweit möglich, zu ermöglichen. Wir übernachteten in vier Hotels in den litauischen Städten Vilnius und Klaipeda, im lettischen Riga und im estnischen Tallin. Während der Rundreise hatten wir stets einen großen Omnibus zur Verfügung, der uns sehr viel Platz und Freiheit bot. Die historischen und touristischen Sehenswürdigkeiten in Vilnius, Riga und Tallins liegen konzentriert in den jeweiligen Innenstädten, so dass wir alle Städte problemlos bei geführten Stadtrundgängen erkunden konnten. Ich nahm für mich als wichtigste Erkenntnis mit, dass es das „Baltikum“ im Sinne einer nationalen und kulturellen Gemeinschaft nicht gibt. Am einfachsten verstehen wir es am Beispiel unseres kleinen Nachbarn Luxemburg im Westen. Ein Luxemburger fühlt sich als Luxemburger und nicht als Deutscher, Franzose, Belgier oder Niederländer. Am klarsten erkennt man die Unterschiede, wenn man die Sprachen Litauisch, Lettisch und Estnisch betrachtet. Besonders die estnische Sprache ist komplett unterschiedlich zu Litauisch und Lettisch. Estnisch ist mit dem Finnischen verwandt. Litauisch und lettisch sind indogermanischen Sprache. Auch wenn diese beiden Sprachen zur gleichen Sprachenfamilie gehören, versteht man sich kaum untereinander. So wie ein Deutscher meist auch Schwierigkeiten hat, Niederländisch zu verstehen. Die Balten untereinander verständigen sich mit Russisch oder Englisch. Die Balten fühlen sich als freie Europäer und Bürger der EU. Ihre Freiheit wird durch die Mitgliedschaft in der NATO geschützt. Hierbei ist sich eine große Mehrheit der baltischen Bevölkerung einig. Der starke Freiheitswille entwickelte sich in den baltischen Ländern nicht zuletzt durch die jahrhunderte lange Fremdherrschaft externer Großmächte Deutschland, Schweden, Russland und die Sowjetunion. Vor allem die jüngste Fremdherrschaft durch die Sowjetunion, die noch viele heute lebenden Balten persönlich erdulden mussten, nährt den starken Drang auch zukünftig unabhängig und frei zu bleiben. So ist die Furcht vor Fremdbestimmung aus Moskau bei der Mehrheit der Balten stark ausgeprägt. Man ist bereit für den Erhalt der Unabhängigkeit zu kämpfen und viel zu investieren, auch wenn hierfür Verlust an Wohlstand und das eigene Leben der Preis sein sollte. Wir bezeichnen als baltische Staaten, von Nord nach Süd, die drei Länder Estland, Lettland und Litauen. Sie grenzen im Nordosten Europas an die Ostsee. Die drei Staaten waren nach dem Ersten Weltkrieg beim Zerfall des Russischen Reiches entstanden, wurden aber 1940 von der Sowjetunion im Rahmen des Hitler-Stalin-Paktes völkerrechtswidrig annektiert. Im Jahr 1990 erklärten sie sich erneut für unabhängig und trugen damit zum Zerfall der Sowjetunion bei. Alle drei Länder erlangten schließlich im September 1991 ihre Eigenständigkeit zurück und wurden im Rahmen der EU-Erweiterung 2004 Mitglieder der Europäischen Union, der Eurozone, der OECD und der NATO. In den baltischen Statten leben heute zusammen ca. sechs Millionen Einwohner auf einer Fläche von 175.000 km², also ca. halb so viel Fläche wie Deutschland.

1+2.Tag: Vilnius

Am Abend des ersten Reisetags traf die Reisegruppe in unserem Hotel in Vilnius zum Kennenlernen bei einem gemeinsamen Abendessen zusammen. Es gab litauische Spezialitäten und einen litauischer Willkommensschnaps. 999 (Trejos Devynerios) – zu Deutsch: 3 mal 9. Es ist ein bitterer Kräuterschnaps mit Extrakten aus 27 Kräutern und Blüten. Am Morgen des zweiten Reisetags trafen wir uns zu einem geführten Stadtrundgang durch Vilnius. Vilnius ist die Hauptstadt Litauens. Mit ca. 600.000 Einwohnern ist sie die größte Stadt des Baltikums. Vilnius ist Sitz des römisch-katholischen Erzbistums Vilnius und mit der 1579 gegründeten Universität Vilnius eine der ältesten Universitätsstädte Europas. Vilnius war von Anfang an eine baltische Gründung und wurde im Gegensatz zu den Hauptstädten der baltischen Nachbarländer, Riga in Lettland und Tallinn in Estland nie vom Deutschen Orden kontrolliert. Sie entwickelte sich als Hauptstadt Litauens zum Zentrum eines ausgedehnten Großreiches, das auf dem Höhepunkt seiner Macht um 1618 als Polen-Litauen zeitweise von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer reichte. Vilnius galt seit seiner Gründung als eine der liberalsten Städte Europas, die im Lauf ihrer Geschichte u. a. den verfolgten Juden aus Mitteleuropa und Russland Schutz bot. Als „Jerusalem des Nordens“ wurde Vilnius zu einem Zentrum der jüdischen Kultur und Aufklärung. Um 1900 stellten Litauer nur einen kleinen Teil der Bevölkerung (2 %), nach Juden (40 %), Polen (30 %) und Russen (20 %). Während des Zweiten Weltkriegs und der Nachkriegszeit verlor die Stadt die Mehrheit ihrer Bewohner: die jüdische Bevölkerung wurde fast vollständig im Holocaust vernichtet; ein Teil der Polen wurde während der ersten sowjetischen Okkupation (1940/41) nach Sibirien deportiert, die große Mehrheit der restlichen polnischen Einwohner nach dem Krieg nach Polen umgesiedelt. Zum Ausgleich wurden vor allem Litauer, aber auch Russen und Belarussen angesiedelt, wodurch sich die ethnische und soziale Struktur der Stadt völlig veränderte.

Wasserfestung Trakai

Am Nachmittag fuhren wir mit dem Bus zur ca. 30km entfernten Wasserburg Trakai. Die Burg befindet sich auf einer Insel nördlich der Stadt Trakai. Eine Brücke führt vom Ufer zum Torhaus, welches in die äußere Befestigungsmauer mit Wehrgängen und drei wuchtigen runden Ecktürmen eingebaut ist. Die symmetrisch angelegten Hauptgebäude sind über eine Brücke zugänglich. Der zwingerartige Zwischenbereich war früher aufgrund eines höheren Wasserstandes mit Wasser gefüllt. Vom Innenhof sind über Holztreppen und Außengänge die Räume bis in das zweite Stockwerk erreichbar. Das in den Hauptgebäuden befindliche Museum geht auf die Geschichte der Burg ein und stellt Ausgrabungsfunde aus. Es zeigt die Phasen der Wiederherstellungsarbeiten der Burg und verfügt auch über Modelle der Burg. Erbaut wurde die Burg in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Sie war zeitweise Residenz des litauischen Fürstengeschlechts bevor die Hauptstadt Vilnius gegründet wurde. Der litauische Großherzog siedelte Karaimen als Leibwache im Ort an. Nachfahren der Karaimen leben tatsächlich bis heute in dieser Gegend. Die Karäer, deutsch ‚Söhne des Lesens‘ verstehen sich als jüdische / israelitische Religionsgemeinschaft, die sich seit dem 7./8. Jahrhundert n. Chr. als Oppositionsbewegung gegen die Auslegung der jüdischen Gebote mit dem Talmud im dominierenden rabbinischen Judentum herausbildete. Bereits im Jahr 1410 verlor die Burg seine militärische Bedeutung als der Deutsche Orden in der Schlacht bei Tannenberg von einem Litauisch, polnischen Heer nachhaltig besiegt wurde.

3. Tag Kaunas und die Memel

Heute hieß es Kofferpacken und Weiterfahrt nach Klaipeda. Unterwegs machten wir Halt für einen kurzen Stadtrundgang durch Litauens zweitgrößter Stadt Kaunas. Sie hat ca. 300.000 Einwohnern. In Kaunas gibt es mehrere Universitäten sowie viele Galerien. Insbesondere die Textilkunst ist hier stark vertreten, was sich in der international hochangesehenen Textilkunst-Biennale Kaunas niederschlägt. Die Stadt war im Jahr 2022 Kulturhauptstadt Europas. Kaunas liegt an der Mündung der Neris in die Memel und etwa 100 km westlich von Vilnius. Erstmals wurde 1361 eine litauische Burg an der Mündung der Neris in die Memel erwähnt. Diese Burg wurde wiederholt von Rittern des Deutschen Ordens zerstört, aber stets von den Litauern wieder aufgebaut. Hauptgrund für die Litauerkriege des Deutschen Ordens, war der Versuch des Ordens, seine Territorien in Ostpreußen und in Livland miteinander zu verbinden. Auf dieser Nord-Süd-Achse stellte die Burg in Kaunas ein wichtiges Hindernis für die Ambitionen des Deutschen Ordens dar. Mit der vernichtenden Niederlage des Deutschen Ordens in der Schlacht bei Tannenberg wurde dieser Konflikt zugunsten der Litauer entschieden. Die Stadt verlor daraufhin ihre Bedeutung als Festung, erlebte aber einen Aufschwung als Handelsstadt. 1440 wurde ein Hansekontor in Kaunas eröffnet. Seit dem 16. Jahrhundert entwickelte sich Kaunas zu einem bedeutenden jüdischen Zentrum. Im Jahre 1900 betrug der Anteil der Juden an der Bevölkerung von Kaunas rund 37%. Nachdem Kaunas im Zuge der Dritten Teilung Polens 1795 an Russland gefallen war, wurde die Stadt 1831 russische Gouvernementshauptstadt. 1918 erklärte sich Litauen für unabhängig. 1940 besetzte die Rote Armee Kaunas. Es folgten Deportationen, vor allem des litauischen Bildungs- und Besitzbürgertums nach Sibirien. Im Juni 1941 marschierte die deutsche Wehrmacht ein, die bis Sommer 1944 als Besatzungsmacht blieb. Sofort nach Einmarsch der Wehrmacht kam es durch litauische Nationalisten zu Massenmorden an Juden auf offener Straße. Alsbald wurde die jüdische Bevölkerung in das neu geschaffene Ghetto Slobodka gepfercht und sukzessive in drei nahe gelegenen Forts ermordet. Bis zur erneuten litauischen Unabhängigkeit 1990 gehörte Kaunas zur Litauischen Sowjetrepublik.

4. Tag Auf der Kurischen Nehrung

Heute nahmen wir mit unserem Bus die Fähre von Klaipeda auf die Kurische Nehrung. Wir fuhren mit unserem Bus bis Nida, besuchten dort das Anwesen von Thomas Mann, ein Bernsteinmuseum, aßen frisch geräucherten Fisch zu Mittag und machten eine Bootstour auf der Ostsee bis an die Grenze der russischen Enklave Kaliningrad (ehemals Königsberg/Ostpreußen). Die Kurische Nehrung ist eine zwischen der russischen Oblast Kaliningrad und dem südlichen Litauen vor der Ostsee liegende Nehrung. Eine Nehrung ist ein schmaler Sandstreifen, der ein Haff vom offenen Meer abtrennt. Der Name stammt aus der Ordenszeit und bezieht sich auf die seit Beginn des 15. Jahrhunderts hier ansiedelnden Kuren, eine Bevölkerungsgruppe, die aus Kurland kam. Kurland ist eine der vier historischen Landschaften von Lettland. Die Kurische Nehrung trennt das Kurische Haff von der Ostsee. Sie hebt sich etwa dreißig Kilometer nördlich von Kaliningrad allmählich vom Festland ab und erstreckt sich von dort aus etwa hundert Kilometer weit in nordöstlicher Richtung. Die mit 3,8 km breiteste Stelle befindet sich beim Bullwikscher Haken, vier Kilometer nordöstlich von Nida, dem Grenzort des litauischen Teils. Die schmalste Stelle liegt bei der Siedlung Lesnoi am südlichen Ende der Nehrung und ist nur 380 m breit. Riesige Wanderdünen begruben immer wieder Ortschaften. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gelang es die Dünen zu bepflanzen und zu stabilisieren. Die Parnidis-Düne bei Nida ist eine der größten Dünen Europas. Im Bernsteinmuseum von Nida lernten wir alles über Bernstein. Bernstein bezeichnet einen seit Jahrtausenden bekannten und insbesondere im Ostseeraum verbreiteten klaren bis undurchsichtigen gelben oder gelbbraunen Schmuckstein aus fossilem Harz.

5. Tag Von Litauen nach Lettland

Die heutige Etappe führte uns von Litauen über die Grenze nach Lettland. Unser Etappenziel war die lettische Hauptstadt Riga. Auf dem Weg nach Riga besuchten wir als erstes das Schloss Rundale. Das Schloss Ruhental gehört zu den bedeutendsten Baudenkmälern des Barocks und des Rokoko in Lettland. Es wurde nach dem Vorbild des französischen Schlosses Versailles gestaltet. Das dreiflüglige und zweistöckige Schloss beherbergt auf fast 7000 m² 138 Zimmer und Säle. Der Schlosspark ist ebenfalls im französischen Stil angelegt. Zum Konzept von Studiosus gehören die Begegnungen, um im Gespräch mit Einheimischen über den Alltag der Bevölkerung reden zu können. So besuchten wir heute das Bauernhaus Vaidelotes. Die Bäuerin begrüßte und bewirtete uns herzlich mit selbstgemachten lokalen Speisen und Getränken. Sie erzählte von ihrem Betrieb und von der Zeit der Wende, als die Menschen im Baltikum sich aus der Umklammerung der Sowjetunion befreiten. Die Furcht erneut unter russischer Fremdherrschaft zu geraten, war hier auch latent zu spüren. Gegen Abend erreichten wir unser Hotel mitten im Stadtzentrum Riga.

6. +7. Tag Stadtrundgang durch Riga

Riga ist die Hauptstadt Lettlands und mit rund 590.000 Einwohnern die größte Stadt des Landes. Zugleich bildet es mit etwa einer Million Einwohnern den größten Ballungsraum des Baltikums. Riga ist das politische, wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes. Die alte Hansestadt ist berühmt für ihre Jugendstilbauten und ihre großzügige Anlage sowie für die gut erhaltene Innenstadt, darunter besonders die Altstadt. Die Altstadt Rigas liegt am rechten Ufer des Unterlaufs der Düna. Die nördlichen Vorstadtbezirke liegen an der Rigaer Bucht. Der Missionsbischof Albert von Buxthoeven aus Bremen gründete Riga im Jahr 1201. Riga wurde zur Drehscheibe des Russlandhandels und Ausgangspunkt der Mission und der deutschen Kolonisierung des Baltikums. Die Stadt war Sitz eines Erzbischofs und gehörte seit 1282 der Hanse an. Im Jahre 1522 schloss sich Riga der Reformation an. 1621 eroberten die Schweden Riga. Die Stadt behielt aber weitgehend seine Eigenständigkeit. Nachdem Russland im großen nordischen Krieg Schweden im Jahr 1721 besiegte, wurde Riga dem Zarenreich zugeschlagen. Riga wurde Sitz der Verwaltung und Hauptstadt des russischen Gouvernements Livland. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wurde Riga schrittweise zu einem der wichtigsten Häfen Russlands ausgebaut. Vor allem seit den 1860er Jahren entstanden zahlreiche Fabriken und Arbeiterviertel. Die Entwicklung Rigas wurde vom Ersten Weltkrieg jäh unterbrochen. Die Stadt lag ab September 1915 an der Frontlinie. Zur Sicherstellung der Kriegswirtschaft wurden etwa 200.000 Einwohner für Rüstungszwecke nach Zentralrussland deportiert. Die russische Verwaltung ließ vor allem die Juden deportieren, da sie der Deutschfreundlichkeit bezichtigt wurden. Nach Kriegsende wurde am 18. November 1918 die unabhängige Republik Lettland ausgerufen. Riga war ihre Hauptstadt. Den Kriegsjahren folgte eine erneute Blütezeit in der Geschichte Rigas. In der Stadt lebten neben der lettischen Bevölkerungsmehrheit große Minderheiten: Russen, Deutsche, Juden und andere. Der Lettische Volksrat hatte den Minderheiten weitgehende Rechte gesetzlich zugesichert, darunter selbstverwaltete Schulen mit Unterricht in ihren jeweiligen Sprachen. 1938 hatte Riga rund 385.000 Einwohner, noch etwa 45.000 von ihnen waren deutschstämmig. Im Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939 vereinbarten die beiden Diktatoren, dass das Baltikum in die sowjetische Einflusssphäre fallen sollte. Im Herbst 1939 wurden die Deutsch-Balten vereinbarungsgemäß in den vom Deutschen Reich eroberten polnischen Warthegau umgesiedelt. Am 17. Juni 1940 rollten sowjetische Panzer durch Rigas Straßen, die Sowjetunion machte Lettland zu einer Sowjetrepublik und deportierte viele Letten, besonders aus dem Bildungs- und Besitzbürgertum und der politischen Elite, in das Innere der Sowjetunion. Im Zuge des Angriffs auf die Sowjetunion eroberten deutsche Truppen am 29. Juni 1941 Riga von der Roten Armee. In der Zeit der deutschen Besatzung von 1941 bis 1944 war Riga der Verwaltungssitz des Generalkommissars für den Generalbezirk Lettland. Die jüdische Bevölkerung, 1933 rund 44.000 Menschen, wurde ab Juli 1941 im Ghetto Riga interniert. Hinzu kamen deportierte Juden mit Zügen aus dem Reichsgebiet. Von 1941 bis 1944 wurden im Wald von Biķernieki bei zahlreichen Massakern etwa 20.000 Juden, 10.000 Kriegsgefangene und 5000 Widerstandskämpfer ermordet. Während der kriegerischen Auseinandersetzungen um die Rückeroberung der Stadt durch die Rote Armee wurde die Altstadt Rigas schwer beschädigt. Lettland wurde erneut von der Sowjetunion okkupiert und Riga die Hauptstadt der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik. Ermutigt durch Perestroika und Glasnost erklärte der Oberste Sowjet der Lettischen Sozialistischen Sowjetrepublik 1990 die Wiederherstellung der Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Am 21. August 1991 erkannte die Sowjetunion die Unabhängigkeit Lettlands an. Riga wurde erneut die Hauptstadt eines souveränen lettischen Staates. Die beiden größten Bevölkerungsgruppen in der Stadt sind Letten (46%) und Russen(40%).
Am Nachmittag unseres siebten Reisetags fuhren wir über die Grenze von Lettland nach Estland und bezogen unser letztes Hotel unserer Baltikum-Reise in der Hauptstadt Estlands, Tallinn.

8. + 9. Tag Stadtrundgang Tallinn

Tallinn ist die Hauptstadt sowie das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum Estlands und mit rund 450.000 Einwohnern die größte Stadt des Landes. Sie liegt am Finnischen Meerbusen der Ostsee, etwa 80 Kilometer südlich von Helsinki. Der estische Name Tallinn bedeutet soviel wie „dänische Stadt“. Im deutschen Sprachgebrauch hieß die Stadt Reval. Die Ursprünge Tallinns gehen auf eine hölzerne Burg auf dem heutigen Domberg und einen vermuteten estnischen Handelsplatz zurück, die Mitte des 11. Jahrhunderts gebaut wurden. Zur gleichen Zeit wurde der Hafen Tallinns angelegt. Im Jahre 1219 eroberte der dänische König Waldemar II. die alte estnische Burg auf dem Domberg. Dänemark konnte die Burg jedoch nicht lange gegen die aufständischen Esten und die vordringenden Deutschen halten. 1227 eroberte der Schwertbrüderorden Reval und erhielt die Burg und einen Großteil des heutigen Estland zur Verwaltung aus der Hand des päpstlichen Statthalters in Estland. Der Schwertbrüderorden konnte die Stadt nur bis 1238 gegen die Ansprüche der dänischen Krone verteidigen. 1238 gewann Dänemark Tallinn wieder zurück. Unter der erneuten dänischen Herrschaft bis 1346 gewann die Stadt rasch an Größe und wirtschaftlicher Bedeutung. Obwohl Tallinn unter dänischer Herrschaft stand, behielt die Stadt eine deutsche Oberschicht, und da diese fast ausschließlich aus Kaufleuten bestand, wurde ein enger Kontakt zur Hanse unterhalten. Dass sich Reval als der Hanse zugehörig betrachtete, ist bereits für 1252 belegbar und findet spätestens 1285 ausdrückliche Erwähnung. Von wirtschaftlicher Bedeutung war die dänische Entscheidung von 1294, allen deutschen Kaufleuten den Handelsweg nach Nowgorod über Tallinn und Narwa zu gestatten. Damit konnte Tallinn zu einem Knotenpunkt des hansischen Ostseehandels werden. Nach der Niederschlagung eines großen Estenaufstandes mit der Hilfe des Deutschen Ordens entließ der dänische König 1346 seine estländischen Vasallen aus ihrem Treueid und verkaufte seine Rechte an Nord-Estland dem Deutschen Orden. Im 15 Jahrhundert kam der Handel mit Russland zum Erliegen als der Moskauer Großfürst Krieg gegen Livland und Nowgord führte. Erst 1514 gelang die erneute Errichtung einer Handelsbeziehung mit Russland. Die Reformation erreichte Tallinn 1524. Am 9. September 1525 wurde die neue Lehre in Tallinn durch den Erlass einer lutherischen Kirchenordnung seitens des Rates und der Gilden „amtlich“. Im Jahr 1561 wurde der deutsche Orden durch Moskauer Truppen endgültig besiegt. Tallinn wandte sich an Schweden als neue Schutzmacht, womit eine bis zum Großen Nordischen Krieg anhaltende schwedische Herrschaft in der Stadt begann. Infolge des Großen Nordischen Krieges fiel Tallinn 1710 an Russland. Am 24. Februar 1918 wurde die selbstständige Republik Estland ausgerufen. Der Hitler-Stalin-Pakt öffnete den Weg für die Eroberung Estlands durch die Sowjetunion. Die deutschbaltische Bevölkerung wurde vom Tallinner Hafen aus auf Befehl Hitlers in den neu geschaffenen Reichsgau Wartheland umgesiedelt. Nach der sowjetischen Okkupation im Juni 1940 wurde die Estnische Sozialistische Sowjetrepublik ausgerufen. Es begannen die ersten Deportationen der estnischen Bevölkerung – insbesondere der politischen und kulturellen Elite – nach Sibirien und Nordrussland. In den sowjetischen Terrorwellen nach 1940 und dann wieder ab 1944/45 wurde insgesamt jeder fünfzehnte Este ermordet und jeder siebzehnte zumindest für zehn Jahre nach Sibirien verschleppt. 1941 besetzte die deutsche Wehrmacht Tallinn, wodurch die Stadt und das Land von einer Willkürherrschaft in die nächste geriet. Hitler verfolgte das Ziel, Estland dem Deutschen Reich anzugliedern. Die von den Esten erhoffte Wiederherstellung der Unabhängigkeit unterblieb. Dennoch beteiligten sich viele junge Esten am Vormarsch der deutschen Wehrmacht nach Osten und nahmen an Vernichtungsaktionen teil. Die deutsche Besatzungsmacht ließ die jüdische Bevölkerung Tallinns und Estlands nahezu gänzlich ermorden. Die Wehrmacht wurde bis Ende 1944 von der Sowjetarmee im Zuge der Baltischen Operation aus Tallinn und Estland zurückgedrängt und die sowjetische Herrschaft wiederhergestellt. Nach 51 Jahren wurde Tallinn am 20. August 1991, zur Zeit des Moskauer Putsches, erneut zur Hauptstadt eines unabhängigen Estlands. Infolge des immensen Wirtschaftswachstums und des in manchen Schichten stark gestiegenen Wohlstandes sind rund um Tallinn innerhalb weniger Jahre riesige Neubaugebiete entstanden. So wurden beispielsweise im südlich von Tallinn gelegenen Gebiet Peetri auf einem ehemaligen Moor Ein- und Mehrfamilienhäuser gebaut. Vor allem junge Familien, die in den letzten Jahren von der wirtschaftlichen Entwicklung profitiert haben, lassen sich hier nieder. Es entsteht ein starker Kontrast zu den großen Siedlungen im sozialistischen Stil. Die Preise für Appartements in den Neubaugebieten sind teilweise bereits auf westlichem Niveau. Der Domberg und die Unterstadt waren bis 1877 sowohl hinsichtlich Verwaltung wie auch Rechtsprechung zwei autonome Städte.Der Domberg, auf dem der Bischof, der Vertreter des Landesherrn, der des Deutschen Ordens und die Vertretung der Ritterschaft saßen, ist bis heute Zentrum der Staatsgewalt. Hier haben das Parlament der Republik Estland und die Regierung ihren Sitz. Der Domberg erhebt sich 48 m über der Unterstadt. Die Unterstadt ist, geschichtlich gesehen, die eigentliche Stadt Reval. Hier lebte der Großteil der Stadtbevölkerung, Handwerker und Kaufleute.

Am letzten Tag unserer Reise besuchten wir noch das Museum im Schloss Kadriorg (Katharinental) und den Fährhafen auf eigene Faust. Wir haben in kurzer Zeit sehr viel über das Baltikum und die Entwicklung der größten Städte gelernt. Das Baltikum war die meiste Zeit seiner Geschichte Spielball der umgebenen Großmächte. Es ist bitter erkennen zu müssen, dass sich daran gar nichts ändert. Ich wünsche dem Baltikum viel Glück für ihre unabhängige Zukunft.

Baltikum
Reiseverlauf
Baltikumreise
Vilnius Präsidentenpalast
Vilnius Kahedrale und Domplatz
Trakai
Wasserfestung
Kaunas
Memel
Kurische Nehrung
Zwischen Haff und Ostsee
Schloss Rundāle
Bekannt als "Versailles des Baltikums"
Schloss Rundāle
Bekannt als "Versailles des Baltikums"
Riga
Blick vom Turm der Peterskirche auf Riga
Riga Jugendstilgebäude
Architekt: Michail Eisenstein
Riga Altstadt
Tallinn Altstadt
Marktplatz
Tallinn Russisch Orthodoxe Kathedrale
Alexander-Newski Kathedrale
Tallinn Alte Oberstadt
Alte Stadtmauer und Burg